Der Höhepunkt jeder deutschsprachigen Debattiersaison ist die Deutsche Debattiermeisterschaft. Nun hat auch endlich der Debattierklub Wien daran teilgenommen und war letzte Woche in Mainz! Unser Rednerteam war übrigens auch das einzige aus Österreich, und so haben wir uns den Teamnamen “Rot-Weiß-Rot” gegeben.
Die Deutsche Debattiermeisterschaft (DDM) 2009 (11.-14. Juni) im Rahmen der ZEIT DEBATTEN wurde vom Verband der Debattierclubs an Hochschulen (VDCH) getragen und vom Debattierclub Johannes Gutenberg (DCJG) in Mainz ganz wunderbar veranstaltet und organisiert. Sarah Kempf, Daniil Pakhomenko und Thore Wojke vom Vorstand des DCJG haben als Cheforganisatoren tolle Arbeit geleistet und die DDM zu einem echten Erlebnis für alle Teilnehmer werden lassen. Gudrun Lux, Marietta Gädeke, Christoph Busch und Daniel Sommer haben als Chefjuroren nicht nur ein exzellentes Jurorenteam zusammen gestellt und die fundierte Bewertung jeder Debatte sicher gestellt, sondern vor allem auch durch ihre Themenauswahl für qualitativ hochwertige Debatten gesorgt.
Wir sind bereits einen Tag vor dem offiziellen Beginn angereist, um am vom VDCH mit Unterstützung der Deutschen Debattiergesellschaft (DDG) veranstalteten Vorbereitungsseminar teilzunehmen. Dabei wurden einige allgemeine und spezielle Fragen zum Debattieren beantwortet; außerdem hatten wir die Chance, an einer Übungsdebatte teilzunehmen. Ganz besonders die intensive Besprechung der Debatte hat uns beim Turnier sehr geholfen, da wir so noch wichtige Tipps mitnehmen konnten.
Durch die angenehme Unterkunft im InterCity Hotel Mainz konnten wir am Donnerstag noch eine kleine Erkundungstour durch Mainz starten – vielen Dank an dieser Stelle an Anja Pfeffermann, die uns durch die Stadt führte!
Am Nachmittag wurde das Turnier dann eröffnet und begann erstmal mit einer Eichdebatte – diese dient vor allem den Juroren, sich aufzuwärmen, sowie den Chefjuroren, um die Juroren und deren Bewertungen kennen zu lernen. Danach gingen wir zur nahe gelegenen Schillerschule, um endlich richtig mit dem Debattieren anzufangen – Die erste Vorrunde fand noch am Abend statt. Hier traf unser Team in der Regierung gleich auf einen der Favoriten auf den Meistertitel: Den amtierenden süddeutschen Meister St. Gallen. Dementsprechend haben wir diese Runde auch verloren. Am Abend schließlich konnten wir einen Poetry-Slam auf der Universität Mainz sehen und hören. Die dabei vom DCJG abgeschlossene Wette, dass mehr Debattanten als Studenten zum Poetry-Slam kommen würden, haben allerdings die Studenten gewonnen – und dafür gratis Tequila bekommen.
Der zweite Turniertag war besonders intensiv, und es wurden die zweite bis fünfte Vorrunde abgewickelt. In der zweiten Runde trafen wir in der Opposition auf einen weiteren großen Turnierfavoriten, das Bonner A-Team. Wir wurden klar und deutlich geschlagen, aber gerade die Runden gegen starke Teams waren für uns sehr lehrreich. In der dritten Runde wurden Miriam, Florian und Lukas als freie Redner aufgeteilt um dann in der vierten Runde wieder vereint als Regierung einen Antrag zu stellen. Gegen das Frankfurter Team Pudel konnten wir dann endlich auch einen Sieg davontragen! In der fünften Vorrunde standen wir wieder in der Opposition und konnten einen deutlichen Sieg gegen das sehr gut aufgestellte Team München Blau erringen. Dieser intensive Debattiertag wurde mit einer Weinprobe, die von der Region und den Winzern Rheinhessens gesponsert wurde, abgeschlossen. Wir konnten uns also bei Silvaner, Grauem Burgunder und Scheurebe sowie den fachkundigen Erläuterungen der rheinhessischen Weinkönigin Lisa Bunn angenehm entspannen.
Dank des guten Weines vom Vortag konnten wir den Samstag gut gelaunt und unverkatert angehen, denn es stand ja noch die letzte Vorrunde an (manche haben allerdings auch anklingen lassen, dass das einfach an der österreichischen Trinkfestigkeit liegen könnte). In dieser waren wir wieder als freie Redner aufgeteilt. Nachdem nun die Vorrunden abgeschlossen waren, kam, was kommen musste: Die Trennung der Spreu vom Weizen und das lang erwartete Achtelfinal-Break! Leider hat unser Team das Break nicht geschafft und platzierte sich auf dem 27. Platz und damit im Mittelfeld der 45 Teams. Wir konnten uns aber immerhin noch knapp über dem Punkteschnitt aller Teams halten. Vor allem aber gelang es Florian als freier Redner ins Achtelfinale zu breaken!
Doch leider war Florian im Achtelfinale kein Glück beschieden: Obwohl er ex aquo mit Philip Stiel (der im Finale als freier Redner von der Ehrenjury für die beste Finalrede ausgezeichnet wurde) und Nicolas Friebe auf dem 17. Platz nach den Vorrunden lag, hat er den Break ins Viertelfinale leider nicht geschafft. So blieb uns aber immerhin noch die Freude, ausgezeichneten Teams im weiteren Turnierverlauf noch genauer auf die Finger zu schauen – so zum Beispiel den späteren Finalisten Jena Bambule und Tim Richter (Präsident des VDCH), der uns mit seinem Team Bonn A in der zweiten Runde fast schon vernichtend geschlagen hat und am Finale nur aufgrund eines Losentscheides nicht teilnehmen konnte.
Der Samstag Abend zeigte wieder, dass der DCJG wusste, dass Debattanten nicht nur von der Rede leben: Sie müssen auch unterhalten werden! Nachdem schon am Donnerstag und Freitag die Abende sehr gesellig gestaltet wurden, endete der Samstag in einer großen Party! Dabei konnte das Team aus Bayreuth den Titel des “Last Team Standing” davontragen und verdiente sich als Preis Rum und Ehre [sic!]. Selbstverständlich war aber auch unser Team gut vertreten, und wir trafen gemeinsam mit der letzten Gruppe beim Hotel ein. Die Party zeigte vor allem aber eine wichtige Facette des Debattierens: Man lernt sehr viele neue, interessante und intelligente Leute kennen, von denen einige auch echte Freunde werden!
Das Halbfinale fand im Hotel statt. Dabei konnten sich Jena Bambule und die Underdogs des Debattierclub Magdeburg durchsetzen. Magdeburg hatte bereits eine eindrucksvolle Serie in den Finalrunden hingelegt: Nachdem sie sich nur knapp als 15. für die Finali qualifizierten, konnten sie im Achtelfinale die zweitplatzierten Bonner und im Viertelfinale das top-platzierte Team aus St. Gallen eliminieren. Im Halbfinale musste dann auch das drittplatzierte Team aus Berlin an die Stärke der Magdeburger glauben!
Vor den Finalrunden war noch kurz Zeit, einen urösterreichischen Beitrag zur DDM, aber vor allem zum Debattieren als Sport besichtigen zu können. DDG und VDCH haben vom DDM-Ausrichter DCJG das Exklusivrecht erhalten, die Namen von zehn Vorrundenräumen zu versteigern – zugunsten der Turnierserie des VDCH 2009/2010. Da wollten sich ein paar Österreicher natürlich auch nicht lumpen lassen und gründeten flugs die Bietergemeinschaft “Erstes Opfer”. Mit Beiträgen aus den drei Wiener Debattierklubs sowie weiteren Unterstützern aus der ganzen Welt(!) konnte schließlich um EUR 90 die “Halle der immerwährenden Neutralität” ersteigert werden, in der wir auch eine Debatte führen durften. Der Gesamterlös von EUR 2000(!) kommt vollständig den Turnieren in der Saison 2009/2010 zugute.
Sonntag, früher Nachmittag war der Zeitpunkt, dem jeder Teilnehmer der DDM entgegenfieberte: Finale! Jetzt würde sich entscheiden, wer neuer deutscher Meister im Debattieren wird – Jena Bambule oder Magdeburg. Aus Jena traten in der Regierung Moritz Niehaus, Severin Weingarten und Clemens Lechner an, zum Thema “20 Jahre Deutsche Einheit – Soll der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden?” einen Antrag zu stellen. In der Opposition standen Miriam Hauft, Jonas Werner und Hauke Blume aus Magdeburg. Als freie Redner sprachen Philip Stiel (Tübingen), Lukas Haffert (St. Gallen) und Patrick Ehmann (Berlin). Patrick war mit Tim Richter (Bonn) punktgleich, sodass dieser Platz verlost werden musste – Patrick hatte Losglück und durfte daher im Finale reden.
Wie zu erwarten war, zeigten alle Redner und beide Teams eine sehr starke Leistung. Doch schlussendlich muss es einen Gewinner geben: Magdeburg ist neuer deutscher Meister! Wir gratulieren Miriam, Jonas und Hauke und freuen uns mit ihnen über diesen tollen Sieg, den sie selber als “Wunder von Mainz” bezeichnen. Gratulationen ergehen auch an Lukas Haffert, der sich als bester Redner des gesamten Turniers (Top of the Tab) etablieren konnte und Philip Stiel, der den Preis der Ehrenjury für den besten Redner des Finales mit nach Hause nehmen durfte.
Für den Debattierklub Wien wird diese Deutsche Meisterschaft auf jeden Fall im Gedächtnis bleiben. Es war schließlich unsere erste DDM überhaupt! Außerdem hatten wir nicht nur sehr viel Spaß beim Debattieren und darüber hinaus, sondern wir konnten uns auch wesentlich rednerisch verbessern, sowohl als Einzelredner als auch als Team. Dazu kommt natürlich noch, dass wir alle sehr interessante Kontakte knüpfen konnten, neue Bekanntschaften und Freundschaften schließen sowie alte verstärken konnten. Es war also ein überaus positiver Abschluss der diesjährigen Debattiersaison, und wir sind froh, dass wir in Deutschland österreichische Präsenz und den von vielen Seiten gelobten österreichischem Schmäh, Charme und Dialekt (ja, ehrlich!) zeigen konnten.
Abschließend möchten wir uns bei all jenen bedanken, die die DDM zu dem tollen Turnier gemacht haben, das sie war: Dem ganzen DCJG und den Cheforganisatoren Sarah Kempf, Daniil Pakhomenko und Thore Wojke gebührt hier ein dreifach donnerndes “Helau!” Die vier Chefjuroren Gudrun Lux, Marietta Gädeke, Christoph Busch und Daniel Sommer haben uns nützliches Feedback gegeben, sehr gute Themen ausgewählt und einen fairen und spannenden Ablauf des Turniers gewährleistet. Darum vielen herzlichen Dank an die netten und freundlichen Chefjuroren! Für die genaue Auswertung der Punkte war als Tabmaster Oliver Hörtensteiner verantwortlich, der uns allen mit seinen Tabellen eine (manchmal peinlich genaue) Abbildung unserer Debattierfähigkeiten lieferte! Ebenfalls Oliver Hörtensteiner hat gemeinsam mit Anja Pfeffermann und Gudrun Lux die Achte Minute, das offizielle Blog der deutschsprachigen Debattierszene mit laufenden Meldungen und Ergebnissen von der DDM gefüttert. Für diese Versorgung der Daheimgebliebenen vielen Dank! Last, but not least danken wir den vielen namentlich nicht genannten Helfern, die uns während der DDM oft verborgen blieben, doch im Hintergrund für die reibungslosen Abläufe, die Transfers quer durch Mainz und die kulinarische Verpflegung sorgten und uns auch am helllichten Tag mal ein Bierchen ausschenkten (Danke Jacob!). Weiters danken wir auch dem VDCH sowie der DDG für die Abwicklung und Unterstützung der DDM und der ZEIT, deren Vertreter vor dem Finale überraschend gelobt hat, die ZEIT Debatten Serie auch in der nächsten Saison zu unterstützen.
Ein so großes Turnier wie die DDM erregt natürlich auch die Aufmerksamkeit der Medien. Auf der Achten Minute werden laufend die neuesten Medienberichte, Retrospektiven und Kommentare sowie Erzählungen und Bilder zur DDM und zum neuen deutschen Debattiermeister gesammelt und verlinkt.
Wir wissen auf jeden Fall schon: Dies soll nicht unsere letzte DDM gewesen sein!
Die Themen der Deutschen Debattiermeisterschaft 2009:
- Boris statt Babsi! Soll eine Männerquote für Kindergärtner und Grundschullehrer eingeführt werden?
- Dicke Luft gegen Bares? Soll der Emissionshandel abgeschafft werden?
- Mehr Einfluss für die Volksvertreter! Sollen die Richter des Europäischen Gerichtshofs vom Europäischen Parlament gewählt (und nicht von den Mitgliedsstaaten bestimmt) werden?
- Kein Gold für Waffennarren! Soll der Schießsport geächtet werden?
- Keine Politik auf Pump! Soll es dem Staat untersagt sein, Schulden zu machen?
- Achtelfinale: Die verlorene Ehre der Nadja B. – Sollte Berichterstattung über Beschuldigte in einem strafgerichtlichen Verfahren vor einer rechtskräftigen Verurteilung zwingend anonymisiert werden?
- Viertelfinale: Fakten statt Dogmen! Sollen die theologischen Fakultäten aus staatlichen Universitäten verbannt werden?
- Halbfinale: Kein Mensch ist illegal – Brauchen wir eine Generalamnestie für illegale Migranten in der EU?
- Finale: 20 Jahre Deutsche Einheit – Soll der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden?